"Seit Beginn meines künstlerischen Arbeitens drehe ich mich um die Frage, was macht uns als Mensch aus." |
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Video über Daniela Polz und ihre Kunst
Video über mein Projekt Kulturförderung Rheinland-Pfalz
Laudatio von Dr. Nieraad-Schalke zur Vernissage im Kunstverein Eisenturm
Kultur muss knistern! Kulturberatung
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Vernissage Daniela Polz
„identité – égalité - fragilité“
Kunstverein Eisenturm Mainz e.V., 3. August 2018, 19.00 Uhr
Die Bildende Künstlerin, die ich Ihnen heute vorstellen darf, ist eine Liebhaberin des Klangs. Bevor Daniela Polz sich mit „Haut und Haar“ der Bildenden Kunst widmete, studierte sie Musikwissenschaft. Auch in ihrer Leidenschaft für tiefsinnige Poesie äußert sich die Zuneigung zum melodischen Sprachrhythmus. Und so überrascht es nicht, dass Daniela Polz auch einen klangvollen Titel für diese Ausstellung hier im Mainzer Eisenturm wählte: „identité – égalité – fragilité“. Dieser Dreiklang ruft in uns sofort die Assoziation zur Parole der französischen Revolution hervor: „liberté, egalité, fraternité“, zu Deutsch „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Zwar will Daniela Polz heute keine Revolution starten, doch fordert sie uns mit ihren oft kritischen Arbeiten vehement zum genauen Hinschauen, gar zur Veränderung auf.
Während ihrer Lehr-, Studien- und Wanderjahre in Münchwald, Frankfurt und Höhr-Grenzhausen, aber auch in Italien und Wales lotete die Keramikerin die physischen Grenzen ihres Werkstoffs aus. Porzellan ist ein feines, hartes Material, das auch in der technischen Keramik und Medizintechnik Verwendung findet. Und es besitzt eine geheimnisumwobene Geschichte: Vor fast 1.500 Jahren wurde in China bereits das erste Porzellan hergestellt. Allerdings hielten die Chinesen die einzelnen Grundstoffe sowie das Herstellungsverfahren streng unter Verschluss, so dass jahrhundertelang Kamelkarawanen das heiß begehrte, zerbrechliche Luxusprodukt über die Seidenstraße nach Europa transportieren mussten. Erst 1708 gelang es zwei deutschen Naturforschern, das erste Porzellan auf europäischem Boden zu erzeugen. Mit Hilfe dieses reizvollen Materials stellt Daniela Polz seit 20 Jahren universale Fragen an das Menschsein an sich.
Ihre ältesten hier gezeigten Arbeiten finden Sie im kleinen Raum um die Ecke. Bei diesen „Gefrorenen Momenten“ stand noch nicht der Mensch im direkten Darstellungsfokus. Das künstlerische Brennglas stellte sich statt dessen scharf auf Objekte oder Erinnerungen, die unser Leben geprägt und uns zu der Person gemacht haben, die wir heute sind. Daniela Polz wählte für diese frühe Werkreihe Symbole der Reise und des Abschied aus: Bollerwagen, Briefe, Schlüssel, Bücher. Dieses „emotionale Gepäck“ tauchte sie in Porzellan. Während des Brennvorgangs verbrannten die Gegenstände und zurück blieben fragile Keramikhüllen von dem, was einmal war. Diese Erinnerungen wurden – kurz vor dem Zerbrechen – durch Epoxidharz erstarrt und bilden nun eine eingefrorene, zeitlose Momentaufnahme des Seins. Es ist das dauerhaft sichtbar gemachte Innenleben, das uns hier begegnet.
Der von Daniela Polz bewunderte Schriftsteller Eduardo Galeano aus Uruguay meinte: „Nur Dumme glauben, dass die Stille eine Leere ist. Sie ist niemals leer. Und manchmal ist Schweigen die beste Art, sich auszudrücken.“ Auf die Bildende Kunst übertragen, erkannte die Künstlerin schon bei diesen älteren Arbeiten, dass eine Leerstelle manchmal die beste Form des Ausdrucks sein kann.
Diese Erkenntnis bringt Daniela Polz auf den Punkt, wenn sie in ihren späteren Werkreihen zu „identité“ den Menschen nun zwar in den Mittelpunkt rückt, ihn jedoch gleichzeitig wieder verschwinden lässt. Zu sehen sind zunächst kleidungsartige, leere Körperhüllen, die in einem Aluminiumrahmen platziert oder auf einer Holzplatte montiert sind. Diese fragile, nur wenig schützende Hülle scheint mit Papierblättchen beklebt zu sein bzw. sogar aus ihnen zu bestehen. Ihre Zerbrechlichkeit wird durch den transluzenten Charakter der verwendeten Keramik noch verstärkt. Wir Betrachter denken beim Blick auf die unzähligen Porzellan-Zettelchen sofort an Post-Its, Krankenakten, Anträge, Versicherungsunterlagen, Datenschutzverordnungen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen. In die Rahmenecken sind unzählige weitere „Papiere“ geweht worden, die sich zum Teil zu einer neuen Ordnung zusammengefunden haben. So erscheinen manche Zettelstapel, wie bei dem Objekt an meiner Seite, plötzlich als tragende (Wirbel-)Säule.
In anderen Arbeiten zu „identité“, die Sie hier links entdecken können, erscheint der leblos liegende Körper als bestehend aus und begraben unter Papierstapeln. In der Werkreihe „Versunken“ recken sich uns immerhin noch Arme und Beine entgegen, während die dazugehörenden Individuen in einem Meer aus immer gleichen Papierblättchen zu versinken drohen. Hier gelingt es Polz eindrucksvoll, im Betrachter das Bedürfnis zu wecken, die hilfesuchend in die Luft gestreckten Hände ergreifen und aus dem Zettelsumpf ziehen zu wollen, der sie zu verschlingen droht. Die zwei flankierenden Collagen hinter Ihnen nehmen diese Impulse mit auf. Im Mittelpunkt steht der verwaltete Mensch, der anonymisiert, reduziert und nicht mehr in seiner Ganzheit gesehen wird. Individuen werden nur noch zur Summe ihrer Metadaten.
Damit wären wir beim zweiten Begriff des Ausstellungstitels angekommen: „égalité“. „Égalité“ verweist hier also nicht auf Gleichheit im Sinne der französischen Revolution, sondern muss gesellschaftskritisch als Gleichmachung und der Verlust von Einzigartigkeit verstanden werden. Daniela Polz‘ Arbeiten umkreisen die Identität des Menschen, die durch Bürokratisierung reduziert und schließlich verloren gehen kann. Die Künstlerin holt den Menschen und sein einmaliges Innenleben jedoch – gerade durch diese künstlerische Leerstelle – wieder in unsere Wahrnehmung zurück.
Dafür setzt sie meisterhaft ihr perfektioniertes Keramikhandwerk ein. Denn die Eigenschaften des Porzellans stehen in ihren Arbeiten symbolhaft für das Menschsein an sich und unterstützen somit ihre künstlerische Antwortsuche ideal: Porzellan ist stabil und doch fragil, ebenso wie jeder Mensch trotz seiner Stabilität und Stärke durch einen Schlag an der falschen Stelle verletzt werden kann. Fällt ein Keramikplättchen herunter, so macht dies wenig aus, doch wenn zu viel von der Substanz zerbricht, so sind sowohl das Porzellankonstrukt, als auch das Lebenskonstrukt zerstört. All dies umfasst der dritte Begriff des Ausstellungstitels: „fragilité“.
Betrachten wir nun die allerneuesten Arbeiten von Daniela Polz, so tritt plötzlich ein vierter Begriff in den Vordergrund, obwohl er sich gar nicht im Ausstellungstitel wiederfindet. Und doch muss er als philosophische – und somit auch künstlerische – Weiterentwicklung von Daniela Polz betrachtet werden. Es ist der Begriff der Individualität. Während ihre älteren Arbeiten die Frage aufwarfen, wie unsere Identität trotz standardisierter, anonymisierender Verwaltungsprozesse bewahrt werden kann, geben Polz‘ jüngste Arbeiten an der Stirnwand hier links nun eine künstlerische Antwort darauf. Seit einem Jahr arbeitet die Künstlerin an dieser Werkreihe, die heute erstmalig in diesem Umfang gezeigt wird. Daniela Polz‘ ureigener Werkstoff tritt hier zurück hinter Papierrollen und – echtem Menschenhaar. Ihre Keramik erscheint nun weniger als Hülle denn als Rahmen. Zwar verweist die Töpferware noch immer auf das, was sie umhüllt. Doch im Unterschied zu älteren Arbeiten holt die neueste Werkreihe diese „Individualität“ aus dem Verborgenen wieder hervor und akzentuiert sie, setzt sie kraftvoll und lebendig in den Fokus.
Es geht nicht mehr um perfektionistische und damit unerfüllbare Standards, sondern Daniela Polz erlaubt ihren neuesten Töpferarbeiten nun, „individuell“ zu sein: Sie sind handgetöpfert, tragen Spuren der Fertigung, ihre Farben sind unterschiedlich, nicht alle sind glasiert. Dies trifft auch auf die genutzten Papierrollen zu, die eine große Bandbreite an Farben und Dicken repräsentieren. Ungewöhnliches Zentrum der sinnlich anmutenden Arbeiten ist Menschenhaar, das vorwitzig aus den Papierrollen hervorschaut oder neugierig herausplatzt. Dieses Material lässt niemanden von uns unberührt. Manche Betrachter mag es vielleicht irritieren, weil es als zu intim oder sogar als tot angesehen wird. Dies hat Daniela Polz erkannt, indem sie das Menschenhaar künstlerisch zum höchsten Symbol unserer Individualität macht.
Seit Beginn der Menschheitsgeschichte ist das Haupthaar ein mächtiger Bedeutungsträger. Es signalisiert beispielsweise die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. So ist die Frisur gerade für Jugendliche ein Experimentierfeld auf der Suche nach der eigenen Identität. Historisch galten in Europa lange Haare bei Männern mal als Zeichen von Freiheit und Heldentum, mal als charakteristisch für unzivilisierte Barbaren. Geschorenes Haar wiederum war geschichtlich immer wieder ein radikales Zeichen brutaler Unterwerfung. Ein kahler Schädel kann aber auch zum Symbol spiritueller Entsagung aller irdischen Verlockungen werden, wie bei Mönchen oder Nonnen. Haare sind Ausdruck erotischer Versuchung, politischer Protesthaltung oder eines veganen Öko-Lebensstils.
Neben all diesen gruppen- und identitätsstiftenden Bedeutungen sind Haare aber eben auch Träger unserer einzigartigen, unvergleichlichen, persönlichen Individualität. Wir alle kennen das Motiv der verschenkten Locke im Goldmedaillon, die der oder dem Geliebten zärtlich übergeben wird. Ganz unromantisch lässt sich über DNA-Analysen jedem Haar mittlerweile unsere Individualität entlocken. So kann es Ermittler auf die Spur des Täters bringen oder die Frage nach dem leiblichen Vater endgültig klären. Hier wird deutlich, wie sehr das Haar pars pro toto für seinen ganzen individuellen Träger steht. Dies offenbart sich kraftvoll in Daniela Polz‘ neuester Werkreihe. Gerade mit dem geflochtenen Zopf, der den schönen Titel „Monika ist gut in der Schule“ trägt, treten wir in den Dialog: Fast riechen wir noch das Shampoo, wollen den Strang neu flechten oder ihn zumindest streicheln.
Haare wirken wie ein Symbol des Lebens – vielleicht gerade weil ihnen Sterben oder Abschiednehmen innewohnt. Dies erklärt wohl die anfängliche Irritation mancher Betrachter. Dabei war es im Mitteleuropa des 16. bis 19. Jahrhunderts Mode, den geliebten Verstorbenen die Haare abzuschneiden und daraus Erinnerungsbilder oder sogar Schmuck anzufertigen. Diese Haarkunstwerke konservierten für die trauernden Hinterbliebenen einen berührbaren und höchst persönlichen Körperteil des Verstorbenen. Denn obwohl Haare nur einen kleinen Teil jedes Menschen ausmachen, stehen sie doch für so viel mehr: für die gesamte Individualität in all ihren bunten Facetten – die auch gerne mal „aus der (Papier-)Rolle fallen“ kann.
Die Ausstellung „identité, égalité, fragilité“ zeigt uns die nun fast 20 Jahre dauernde Suche von Daniela Polz nach einer Antwort auf die Fragen, wie wir unsere Identität bewahren können und was jeden von uns zu einem einzigartigen Individuum macht. Wir können hier und heute Zeuge sein, wie sich diese Suche eindrucksvoll in künstlerischen – und auch lebensphilosophischen – Ausdruck formt.
Artikel von Nicholas Lees -> www.nicholaslees.com
NEUE KERAMIK - September / Oktober 2017
Die Grenze des Menschseins
Während Ihrer gesamten Kariere setzte sich Daniela Polz mit der Frage, was bedeutet es ein Mensch zu sein und wie sind wir als Individuen definiert, auseinander. Seit ihrem MA-Abschluß in Cardiff, Wales, vor 20 Jahren, ist ihre Arbeit eine in Porzellan geführte Diskussion des menschlichen Seins, in der Figürliches erst seit Kurzem erscheint. Wenn in ihren letzten Arbeiten der menschliche Körper gleichzeitig auftaucht und verschwindet, deutet dies auf eine Intensität in ihrem Denken hin, die sich auch mit politischen Aspekten der Menschlichkeit auseinandersetzt.
Ihre jüngsten Stücke, aus der Serie ‚Frames‘, zeigen eine neue Ebene der Reife und Verfeinerung, sind der Höhepunkt eines langen Weges der Recherche und ohne Frage ein aufregender Schritt hin zu weiteren neuen Skulpturen.
Einem Stück möchte ich besondere Aufmerksamkeit schenken; ‚Frame 7’, es ist mein persönlicher Favorit der neuen Serie. Was wir sehen ist ein Rahmen aus Aluminium, in dessen einer oberen Ecke Stapel von feinen Porzellanplättchen möglicherweise an den herumfliegenden Inhalt eines dysfunktionalen Bürokratenschrankes erinnern könnten. In der unteren Ecke eine anonyme Figur, kniend oder auch zusammengebrochen, gestaltet aus den gleichen, wie Papier anmutenden, Porzellanplättchen. Die Figur ist hohl - bestehend aus einer Hülle aus mit Porzellanschlicker getränktem Stoff an dem ebendiese Porzellanplättchen haften. Kein Kopf, keine Hände oder Füsse, auch kein Skelett oder andere Hinweise auf eine menschliche, fleischliche Existenz. Die Haltung deutet auf Beten, Flehen, Unterwerfung oder gar einen physischen Zusammenbruch hin. Was immer es ist, auf keinen Fall ist es Ausdruck von physischer Stärke oder innerer Lebendigkeit. Das gesamte Arrangement wirkt nahezu gefährlich zerbrechlich, durchscheinend und vergänglich - Halt scheint nur der dominierende Rahmen zu geben.
Wir wissen, wie wichtig der Kontext zum Verstehen eines Werkes ist. Polz gibt zu bedenken, dass heute mehr denn je eine Existenz von äußeren Zwängen abhängt. Die Künstlerin hat die Welle an Flüchtlinge und Migranten beobachtet, wie Individuen Ihrer Individualität und Entwicklungsfreiheit beraubt werden. Wie werden staatenlose Flüchtlinge und Migranten definiert? Sehen wir sie als Individuen mit ihrer eigenen Persönlichkeit oder als anonyme Wesen - reduziert auf verwaltungstechnische, politische oder soziale Probleme, sichtbar nur durch Papierstapel die ihre individuelle Existenz vielleicht möglich machen? Das Werk umfasst persönliche und umfassende politische Beobachtungen, die bei genauerer Betrachtung nicht von einander getrennt werden können.
Der Kontext ist wesentlich und in dieser Arbeit manifestiert er sich im Rahmen, dort wo das eigentliche Objekt beginnt. Der Rahmen gibt den Arbeiten ihre Definition und ihre Freiheit zu existieren. Der Rahmen dient sowohl als praktischer und als metaphorischer Kontext.
Durch das Arbeiten vom Rahmen in das Innere, kann die Künstlerin die Grenzen der Fragilität des Material sowie die metaphorische Fragilität verschieben. Sie benutzt Porzellan aus vielerlei Gründen – es kann die Weiße und Dünnheit von Papier nachbilden, am wichtigsten jedoch ist die Transluzenz.
Der Rahmen der eine Beschränkung sein könnte, ist in diesem Fall tatsächlich eine physische und optische Befreiung. Die Figur muss nicht als konstruiertes Objekt selbst stehen oder Festigkeit haben, was befreit und den ausgedrückten Ideen Macht gibt.
Schon immer herrscht in den Arbeiten von Daniela Polz eine fortwährende Spannung zwischen An- und Abwesenheit, aber hier findet sie den nuanciertesten und am meisten ausgearbeiteten Ausdruck.
Der Rahmen fokussiert uns auf die unmittelbare Umgebung der Figur, erlaubt es uns die Figur im Kontext mit den über ihr befindlichen Papierstapeln zu sehen, erlaubt überhaupt die Entstehung der Figur, unglaublich zerbrechlich, durchscheinend und rätselhaft. Die Figur ist hohl in ihrer Präsenz, anonym und gefertigt aus einer dünnen Haut mit Plättchen. Sie könnte eine Rüstung oder ein Panzer sein, ist jedoch unfassbar filigran.
Als eine Gruppe, bildet die Serie ‚Frames‘ eine faszinierende Debatte dieser Ideen und die Variation der Positionen der Figur im Rahmen, zeigt eine Reihe an Möglichkeiten für das Erleben der Existenz in der politischen und physischen Welt.
Wir müssen auch berücksichtigen, dass die Arbeiten im Kontext ihrer Kariere stehen. Arbeiten auf diesem Niveau entstehen nicht aus dem Nichts. Wie ich schon vorher erwähnte, hat Polz sich in einer großen Bandbreite an erfolgreichen Arbeiten mit der menschlichen Existenz beschäftigt. Sie war immer mehr an Metaphern interessiert, als an der physischen Darstellung. Viele Arbeiten handelten vom Menschen, ganz ohne diesen in der Arbeit sichtbar zu haben. Ein Beispiel, ein weiteres meiner Lieblingsstücke, ist das Seelenhaus von 1997. Das Stück ist aus in Porzellanschlicker getränktem Papier und Stäben. Die Arbeit hat die Form eines einfachen, offenen Gebäudes mit Stoffdach, im Inneren befinden sich Lagen von Büchern und Papier sowie eine Rose. Das Gebäude ist eine Metapher für den Menschen und sein inneres Sein. Der Gebrauch von Papier, ein im Werk von Daniela Polz immer wiederkehrendes Thema, hier zum Aufbau der Struktur eingesetzt, repräsentiert das Bewusstsein und erinnert uns daran, dass man ein Kunstwerk wie auch eine Person als Text lesen kann. Texte auf Papier sind was uns zeigt und sichtbar macht und sind was bleibt, wenn wir einmal nicht mehr sind: Es sind Spuren einer Person, der Beweis ihrer Existenz. Das Papier und die Texte sind die Spuren des Menschen, ihr Beweis, eine Idee die in der Serie ‚Frames‘ wiederkehrt. Die Rose hingegen ist vieldeutig, aber steht vielleicht eher für etwas im Inneren Verborgenes, für Leben, für Wachstum und Menschlichkeit, als für die Loslösung vom papiernen Beweis.
Zwischen dieser und den aktuellen Arbeiten liegen viele Gedanken und viel Praxis, eine ergiebige Reise. In letzter Zeit wurde der Inhalt physisch präsent, doch der metaphorische und konzeptuelle Inhalt wird dadurch nicht weniger stark.
Ein Grund für den Erfolg der Serie ‚Frames’ und insbesondere des ‚Frames 7’ ist, dass das Zentrum und der visuelle Fokus dieser Arbeit Raum ist, gar Leere. Polz bewegt sich entschieden weg von der dekorativen, figürlichen Formensprache, die in der Keramik so oft erwartet wird, hin zu einem politischem Statement. Diese Bewegung weg von der Norm des Figürlichen, macht die Stärke des Stückes aus.
Obwohl die Figur schon immer ein Thema für sie war, hat Daniela Polz lange gebraucht, bis sie diese zum Mittelpunkt ihrer Arbeit machte. Durch die Auseinandersetzung mit der Herstellung der Figuren, ihrer Dekonstruktion und dem Wegrücken gerade aus dem Zentrum heraus, hat sie ihre stärksten Ausdruck gefunden, wenn es gilt die Grenzen des Menschseins zu erkunden.
Nicholas Lees
ist ein international ausstellender und ausgezeichneter Künstler, der mit Keramik und Papier arbeitet. Er unterrichtet Keramik am Royal College of Art, an der University of the Creative Arts und der Bath Spa University. Gelegentlich ist er schriftstellerisch tätig.
Er lebt und betreibt sein Studio in Hampshire, GB.
Artikel von María Elisa Quiaro
Daniela Polz hat nicht nur Interesse an dem, was Objekte darstellen, sondern auch daran, was diese erzählen. Für Sie ist Keramik ein Hilfsmittel des Ausdrucks, ein Medium, durch welche Ideen und Möglichkeiten projiziert werden.
Ihre Arbeit beschäftigt sich mit der Interaktion von Papier und Porzellan, dem Einbeziehen einer Umgebung, dem Erweitern von Grenzen und Konventionen in der Keramik.
Während Ihrer vielseitigen künstlerischen Lebensperioden hat Daniela Polz fortlaufend neue Ideen entwickelt, jüngst als aktives Mitglied der Gruppe TRIALOG.
Heute beinhaltet keramische Kunst gleichermaßen Konzept als auch Form. In den Skulpturen von Daniela Polz ist die Idee in einzigartiger Weise mit der Form verbunden. Sie kennt die Sprache der Ruhe, die verbunden ist mit Intuition und Spontaneität. Schon beim ersten Anblick wird man durch Geschichten, die ihre Stücke erzählen, verführt. Sie können zweifach gelesen werden, als Metapher für Entdeckungen und als Einladung zur Imagination.
Die Herstellung der Stücke ist einfach und doch erfordert sie größte Sorgfalt im Umgang. Porzellanschlicker wird auf Papier aufgetragen; Schicht für Schicht entsteht die Arbeit. Die Technik lenkt nicht von dem starken Kern der Arbeit ab; Inspiration ist ein Thema des täglichen Lebens.
Jedes Stück ist versehen mit romantischen Referenzen wie beispielsweise Musik, Blumen oder Briefumschlägen, die den Stücken eine poetische Anmutung verleihen.
Die Reinheit der weißen Oberfläche wird durch den gelben Satin-Ton bereichert, der einen Aspekt des Alterns, eine Tür zur Erinnerung impliziert. Die Farbe wird leuchtend, während das Weiß dem Betrachter erlaubt die Form und das Volumen zu vervollständigen und sich auf das Stück und dessen Charakter in dem ihn umgebenden Raum zu konzentrieren. Das extreme Feuern ist für die natürliche Verformung der Ursprungsgestalt verantwortlich; Brennen des Porzellans bis an seine Grenzen.
Die Arbeiten von Daniela Polz verlangen es, ihnen Zeit zu geben, um das zweideutige Spiel aus Form, Linie und Ton der Arbeit, ihre eigene Magie, das Öffnen von Gefühlen über die Art und Weise wie wir uns selbst wahrnehmen und die Welt in der wir leben, zu erlauben.
Es gibt kein festes Ziel für Daniela Polz. Ihre Arbeit ist ein sich ständig fortsetzendes Experiment. Die wahre Freude liegt in der Entwicklung der Idee und in ihrer ambitionierten Art Inhalte zu manifestieren.
Artikel von Bernd Pfannkuchen
NEUE KERAMIK - Mai / Juni 2003
DANIELA P0LZ
Botschaften und Geschichten aus dem Zwischenreich
In ihren Arbeiten beschäftigt sich Daniela Polz mit Kommunikation und Wahrnehmung.
Dies ist der rote Faden, der sich durch ihr gesamtes künstlerischen Schaffen in den verschiedenen Bereichen zieht. Sie ist am Austausch zwischen den inneren und den äußeren Welten interessiert, und besonders gern bewegt sie sich in dem Grenzbereich, der diese Welten voneinander trennt. Das zum Ausdruck zu bringen, was den Dingen die innere Struktur gibt, ihre immanenten Geschichten zu offenbaren und diese mit den Dingen der Welt, der Umgebung in Verbindung zu setzen, ist ein Teil ihres künstlerischen Anliegens.
Dabei geht es ihr weniger um die Darstellung einer verdinglichten Idee, sondern um die Vermittlung von Interaktion. Ihre Arbeiten sind nie handwerklich oder designmäßig vorbildlich im Sinne von gefällig, schön, nützlich oder als in sich geschlossene, stumme Einzelindividuen zu sehen, sondern zeigen sich immer als Träger von Botschaften, als Geschichten erzählende oder mit Informationen befrachtete Werke, die den Betrachter auf unterschiedliche Art herausfordern.
Daniela Polz gehört zu den Menschen, die im künstlerischen Bereich zu Hause, in ihm gewachsen und engagiert sind und, von der Materialseite her gesehen, im Gegenpol einen anderen Teil der eigenen Persönlichkeit suchen und bearbeitet. Menschen dieses Typs stellen die Antipode zu einseitig ausgerichteten Spezialisten dar.
Sie ist Keramikerin, eine großartige Malerin und Graphikerin.
Sie ist Gründungsmitglied der Gruppe TRIALOG, Gruppe für Kunst, Handwerk und Design in Höhr-Grenzhausen, die seit 1999 in einem alten Kino eine gemeinsame Werkstatt betreibt; und sie ist Mitgesellschafterin von Calliope - Interaktive Medien.
Durch all diese Tätigkeiten und Aktivitäten zieht sich der rote Faden ihrer Persönlichkeit. Aus dem Tenor dieser Persönlichkeit heraus erwachsen Kontroversen, die sich zu geistigen Themen verdichten, sich in der Folge in zwei- oder dreidimensionalen Äußerungen künstlerisch manifestieren. Wir finden Keramik, spirituell in ihrer Thematik und Gestalt, und zweidimensionale Arbeiten in Acryl und als Aquarell.
Daniela Polz stellt hier ihre Arbeiten, ob 2- oder 3-dimensional‚ in einen lyrischen Kontext zu aufgefundenen oder selbst geschriebenen Texten. Wir drucken im Folgenden diese Texte, die zur Wanderung zwischen den sensiblen und sehr fragilen Aussagen der Keramiken und den poetischen Aussagen der Texte einladen.
Die keramischen Arbeiten von Daniela Polz sind auf mehreren Aussageebenen zu lokalisieren. Zum einen die symbolhaften Arbeiten, deren Aussagen klar an den Betrachter herantreten, wie zum Beispiel die "Briefe”, die "Brücke" oder auch ”Diary". Die verschiedenen Versionen des Themas "Seelenhaus” und auch die "Boote”, letztere als Symbole des Mittlers zwischen zwei Ufern oder Kontinenten, gehören ebenfalls noch hierher, sind jedoch bereits an der Peripherie dieser Gruppe angesiedelt und verweisen auf den einen oder anderen Bereich.
Zu einem dieser Bereiche gehören Arbeiten wie ”1000 Wege" oder "Spinnenrad", die in ihrer Aussage dem persönlichen Gesichtsfeld der Künstlerin entstammen und eine tiefergehende Konzentration des Betrachters erfordern. In der visuellen Analyse, verbunden mit der persönlichen Assoziationsfähigkeit, erschließt sich die Geschichtslandschaft der einzelnen Arbeiten. Zurück bleibt neben der Freude über das ästhetische Erlebnis der Eindruck, bis zu einer Ebene des Widerspruchs vordringen zu können, hinter der sich das Geheimnis der Betroffenheit verbirgt, oder aus der sie sich speist.
Mit Arbeiten wie zum Beispiel "Talking Circle" betritt Daniela Polz deutlich die Ebene der Installation. Nicht mehr die einzelne Arbeit ist Träger der Aussage, oder erfordert ein detaillierteres Eingehen, jetzt ist es das Ensemble, das den Betrachter anspricht, und die Teile in ihrem Zusammenspiel formulieren die künstlerische Aussage. Diese erschließt sich durch das visuelle und gedankliche Betreten der Anordnung und durch das innere Hinzutreten des Betrachters zu den miteinander kommunizierenden Objekten. Die einzelnen Objekte tragen durch ihre Stellung und den Grad ihrer Aktivität innerhalb der Gruppe die Gesamtaussage, die ihrer individuellen Chrakteristik übergeordnet ist.
Versucht man eine Zusammenfassung der Arbeiten von Daniela Polz, sozusagen einen Gesamtblick auf sie, finden wir uns immer in einem direkten Kommunikationsverhältnis: mal fühlen wir uns direkt angesprochen, dann wieder aufgefordert, auf die Suche nach den Hintergründen zu gehen, ein ander Mal als ein Außenstehenden der zuschauen darf, aber nicht mehr: Die Gruppe erlaubt keine Hinzutreten unter Gleichen.
Abschließend ein paar Worte zur Technik: Indem Daniela Polz bei ihrer Arbeiten reale Gegenstände in Porzellanschlicker taucht oder diesen aufpinselt und sie anschließend brennt, schafft sie Hüllen. Was bleibt ist der Raum dessen, was einmal war, dessen, was man nicht sieht, dessen, was man nur nachempfinden kann, aber seinen imaginären Teil zu der bestechenden Überzeugungskraft der Arbeiten beiträgt.
Daniela Polz wurde 1967 in Flörsheim/Main geboren. Nach dem Abitur studierte sie von 1986-88 Musikwissenschaft an der J.W.von Goethe Universität, Frankfurt. 1988-1991 Keramikerlehre bei A. Wingenter in Münchwald. 1991 Gesellenbrief.
1991 Werkstatt mit Renato Madallena/Certosa di Pavia, Italien. Produktion von Gebrauchsgeschirr. 1992-1993 Gesellenzeit bei Guido Kratz/Frankfurt. 1993-96 Fachschule für Keramikgestaltung/Höhr-Grenzhausen. 1996 Staatl. geprüfte Keramikgestalterin. 1997 MA Ceramics, Cardiff College of Arts. 1999 Gründungsmitglied der Werkstattgem. TRIALOG-Gruppe für Kunst, Handwerk und Design/Höhr-Grenzhausen. Seit 1992 beteiligt sie sich mit ihren Arbeiten im In- und Ausland an Ausstellungen.
Artikel von Dr. Sabine Burbaum-Machert
Kunst & Material - Jan./Feb. 2009
Daniela Polz
Gefrorene Momente
Porzellan. sagt Daniela Polz. sei ein fantastisches Material: „Es ist bildsam und haptisch schön. Nach dem Brennen ist es durchscheinend, man kann mit Licht arbeiten." Dabei gibt sich die Masse gern spröde und kompliziert — „Porzellan hat eine große Schwindung und im gengebrannten Zustand ist es extrem fragil“, erläutert die Keramikerin aus Höhr-Grenzhausen.
Ihre Objekte präsentieren sich filigran, gleichsam traumverloren, und lassen Raum für eigene Welten. „Gefrorene Momente" sind ihre neuesten Werke betitelt: Dazu taucht Daniela Polz gezielt ausgewählte Gegenstände in Porzellan. Der Brand lässt eine Hülle zurück: „Was bleibt, ist der Raum dessen, was einmal war, eingeschlossen in einer Hülle. unsere Leinwand der Projektion.“ Zum Teil gießt sie die Stücke in Harz — es entsteht eine ‚gefrorene‘ Momentaufnahme.
Dabei widersetze sich ihr bevorzugtes Material jeglicher Theorie: „Die Theorie sagt: Das funktioniert nicht — etwa größere Körbe mit Porzellan zu ummanteln und dann zu brennen. Und doch: Der Kern verbrennt, es funktioniert!" Die Hülle als Raum für das, was nicht zu sehen und nur zu ahnen ist - Kommunikation und Wahrnehmung sind dieThemen, die ihre künstlerische Arbeit seit Jahren begleiten: Der Austausch zwischen inneren und äußeren Welten und ihre Grenzen. Solche Fragen der Wahrnehmung waren auch Gegenstand ihrer Abschlussarbeit zum Master of Ceramics. die sie an der University of Wales Institute Cardiff schrieb.
Der Weg zur keramischen Kunst war für Daniela Polz keinesfalls vorgezeichnet. Zunächst war ihr Leben geprägt von der Musik. Nach der schulischen Ausbildung nahm sie ein Studium der Musikwissenschaften an der Universität Frankfurt auf. „Doch ich merkte, ich benötige etwas Praktisches." Und begab sich auf die Suche. Schließlich fanden sie sich: Daniela Polz und die Keramik.
Es folgte eine Keramikerlehre bei Albert Wingenter in Münchwald. Mit dem Gesellenbrief war für sie jedoch das Streben nach Wissen, nach Vertiefung nicht zu Ende. „lch war immer auf der Suche — es gab vieles, was ich noch lernen wollte.“ Die Liebe zu diesem Land zog sie nach Italien. In einer Werkstattgemeinschaft in Certosa di Pavia arbeitete sie an der Scheibe und unterrichtete in Kursen. Doch irgendwann wusste sie, dass das Spektrum des Möglichen lange nicht ausgeschöpft war. Sie ging nach Frankfurt zu Guido Kratz. „Es war eine wundervolle Zeit — ich durfte als Gesellin frei Glasuren und Serien entwickeln.“
Von der traditionellen Keramik führte der Weg zum Design sie an die Fachschule für Kerainikgestaltung nach Höhr-Grenzhausen. „Die vielen Ausbildungsstätten haben mich hierher gelockt." Doch auch nach dem Abschluss als staatlich geprüfte Keramikgestalterin war die Sehnsucht nach Weiterentwicklung nicht gestillt. Folgerichtig schließlich der Entschluss, in Cardiff zu studieren, um vom Handwerk über das Design den Schritt zur Kunst zu vollziehen. „Ich hatte hervorragende Lehrer in Cardiff, die sehr hilfreich waren beim Finden der eigenen künstlerischen Sprache."
Heute lebt Daniela Polz wieder in Höhr-Grenzhausen, sie hat Ihr Atelier in einer Werkstatt, die sie mit anderen teilt. „Es gibt im Hinblick auf die
Keramik keinen anderen Ort, der so voll ist mit Wissen.“ Mit dem Team Trialog e.V. initiierte und leitete sie dort ein Artist-in-Residence-Projekt, um dieses immense Wissen zu teilen. Ihre Arbeit bedeutet ihr vor allem Auseinandersetzung, die Kunst ist ihr ein drängendes inneres Bedürfnis: ‚.Es gibt Dinge, Erinnerungen und Prägungen, die uns auf unserem Lebensweg begleiten und die unsere Sicht der Welt bestimmen. Meine Arbeiten beschäftigen sich mit Wahrnehmung und der Wechselwirkung zwischen dieser und unserem persönlichen Gepäck.“
Ausstellung
5. September bis 4. Oktober 2009
Artothek — Galerie Dogan im Rahmen der Schöneckener Kulturtage
Berliner Str. 1. - 54614 Schönecken
Tel. +49—(0)—6553—3389